Foto © Max Zerrahn

wurde 1960 in Großröhrsdorf geboren und wuchs in Ohorn (Oberlausitz) auf. Er studierte Bauingenieurwesen und war danach als Reinigungskraft und Verkäufer tätig. Seit 1992 lebt er als freier Autor und Literaturredakteur des Stadtmagazins SAX in Dresden. Für sein Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Literaturförderpreis des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und dem London-Stipendium des Deutschen Literaturfonds.

Bibliographie

– Der Atem der Steine (mit Hans Strehlow), Verlag Hermann Schmidt Mainz, 1993
– Ohorn, Roman, Buchlabor Dresden, 1993
– Onuphrius, Erzählungen, Hellerau-Verlag, 1994
– Dichter, Denker, Literaten in Dresden, Lexikon, (mit Norbert Weiß) Scheune-Verlag 1997
– Auf der Reise nach Himmelreich, Erzählung, Scheune Verlag 1997
– Wiesinger, Roman, Kowalke & Co. Berlin 1999
– Pfunds Molkerei, be.bra Verlag Berlin 1999
– Ums Karree, Roman, Kowalke & Co., Berlin 2001
– Literarisches Dresden, Stadtplan (mit Norbert Weiß), Verlag Jena 1800, Berlin 2001
– Dichterhäuser in Dresden, (mit Norbert Weiß) be.bra Verlag Berlin 2002
– Die letzten Mohikaner, Erzählungen, Scheune Verlag Dresden 2003
– Dichterhäuser im Dresdner Umland (mit Norbert Weiß) be.bra 2004
– Infarkt, Roman, Steidl 2004
– Lieber Dresden im Regen als Wien bei Sonne (mit Norbert Weiß) be.bra 2006
– Dichterhäuser um Leipzig (mit Norbert Weiß) be.bra 2006
– Die Pflaumenallee, Roman, Steidl 2006
– Dichterhäuser in der Oberlausitz (mit Norbert Weiß) Neisse Verlag 2008
– Gegenüber brennt noch Licht, Roman, Steidl 2008
– Heimatkunde Dresden, Hoffmann und Campe 2009
– Sture Hunde, Roman, Steidl 2011
– Am Grünen Zipfel und Auf dem Sand. Hellerau literarisch (mit Norbert Weiß), Neisse Verlag 2013
– Goetheallee, Roman, müry salzmann 2014
– Himmelreich, Roman, müry salzmann 2015
– Prominente in Dresden (mit Norbert Weiß) bebra 2015
– Sprich oder stirb, Roman, müry salzmann 2017
– Mission Pflaumenbaum, müry salzmann 2019
– Flug der Flamingos, müry salzmann 2021

Jens Wonneberger liest aus Flug der Flamingos erschienen im müry salzmann Verlag, Salzburg.

Textprobe

An diesem Morgen geschah etwas Seltsames. Es war eigentlich ein ganz gewöhnlicher Morgen, ein Morgen an der Kante des Sommers, Ende September, vielleicht etwas kühl für die Jahreszeit, und doch. Etwas war anders. Das heißt, im Wesentlichen geschah nichts, außer dass Rimböck, mein Nachbar, der sonst an jedem Werktag mit einer durch nichts zu erschütternden Regelmäßigkeit pünktlich um acht sein Haus verließ, diesmal ausblieb. Nicht, dass ich auf ihn gewartet hätte, ich wartete schon lange auf niemanden mehr, schon gar nicht auf Rimböck, aber ich hatte ihn, auf der Bank vor meinem Haus sitzend, täglich im Blick, sein Auftauchen gehörte einfach zu dieser frühen Stunde wie das ferne, nicht allzu laute Dröhnen vom Autobahnzubringer oder das scheppernde Läuten der Kirchenglocken. Und ich mag es, wenn die Dinge bleiben, wie sie sind.

Die Glocken quengelten, als wollten sie Rimböck aus dem Haus locken, und dann, als wäre es ein Nachklang, ein fernes Dröhnen, ein Surren fast nur, als schwebe eine Mücke dicht am Ohr. Jetzt!, dachte ich. Aber nichts, die Tür im Haus gegenüber blieb geschlossen. Merkwürdig, dachte ich, und stellte mir dennoch vor, wie Rimböck seine Villa verließ, diesen kubischen, weiß getünchten Kasten, dem jede südliche Heiterkeit fehlte, ich sah ihn vor mir, wie er wie jeden Tag aus der Tür kam und unter dem Baldachin stand, der von Säulen mit ionisch anmutenden Kapitellen getragen wurde, wie er mit der linken Hand dann den Messingknauf der Tür umfasste und diese fest ins Schloss zog, um gleich darauf mit der rechten am Bund zu fummeln und den richtigen Schlüssel, das freilich ahnte ich mehr, als ich es sah, ins Schloss zu führen, wobei er sich, mir seinen Hintern zuwendend, so ein Arsch, dachte ich, tief bückte, sodass sein Kopf fast auf der Höhe des Schlüssellochs war, als müsse er diesen täglichen Handgriff stets aufs Neue erlernen. Er schloss also ab, drückte zur Kontrolle noch einmal gegen den Knauf, rüttelte daran, ich kannte das ja, hatte es oft, vielleicht zu oft gesehen und sah es jetzt in Gedanken noch deutlicher, dann ließ er den Schlüsselbund, bevor er ihn wieder in die Hosentasche steckte, rasselnd um seinen aus- gestreckten Zeigefinger kreisen, nicht ohne sich da- bei mit einem Blick auf die Armbanduhr der Zeit zu versichern. Es musste kurz nach acht Uhr sein. Es war kurz nach acht Uhr, nur Rimböck fehlte. Rimböck war nicht zu sehen.