geboren 1989 und aufgewachsen bei Altötting. Sie studierte Kulturwissenschaft und Anglistik in Potsdam und Berlin sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2018 erschien ihr Debütroman nichts, was uns passiert, für den sie u.a. mit dem ZDF-„aspekte”-Literaturpreis für das beste literarische Debüt des Jahres, dem Förderpreis zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen und dem Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium ausgezeichnet wurde. Das Buch wurde u.a. vom Stadttheater Gießen und dem Thalia Theater Hamburg für die Bühne adaptiert. Der Roman wird verfilmt und 2023 als Fernsehfilm in der ARD ausgestrahlt werden. 2022 veröffentlichte Bettina Wilpert ihren zweiten Roman Herumtreiberinnen im Verbrecher Verlag. Sie lebt als freie Schriftstellerin und Mutter in Leipzig.

Synopsis

Manja ist 17 Jahre alt und lebt im Leipzig der 1980er Jahre. Ihre beste Freundin Maxie und sie schwänzen die Schule, brechen in Schrebergärten ein und trefffen sich im Freibad oder auf dem Rummel mit Jungs, bis Manja im Zimmer des Vertragsarbeiters Manuel von der Volkspolizei erwischt wird und auf die Venerologische Station für Frauen mit Geschlechtskrankheiten kommt. Eingewoben in den Roman sind auch Erlebnisse von Lilo, die in den 1940er Jahren an diesem Ort festgehalten wurde, da sie mit ihrem Vater für den kommunistischen Widerstand
gearbeitet hat, und der Sozialarbeiterin Robin, die in den 2010er Jahren in diesem Haus – nun eine Unterkunft für Geflüchtete – tätig ist.

Foto © Nane Diel

Der Roman »Herumtreiberinnen« erzählt die Geschichten von drei jungen Frauen aus verschiedenen Zeiten und stellt die Frage, welchen Einfluss diese Zeit und die jeweilige Staatsform auf ihre Leben hatten. Ein Haus in der Leipziger Lerchenstraße ist das verbindende Element der drei Erzählstränge.

Textprobe

Über ihrem Bett hing ein Bild von Erika und Klaus Mann: Klaus rauchte, hielt die Zigarette mit den Lippen, ich hatte oft versucht, die KAROs auch so zu halten, länger als eine Sekunde gelang es mir nie. Ich mochte die weißen Hemden und die Krawatten der Geschwister, Erika hielt eine Zigarette in der Hand und blickte Klaus an, bewundernd vielleicht oder aus Liebe. Das Foto war unscharf, es sah so aus, als schielte Klaus, als blickte er mit dem linken Auge Erika an, mit dem rechten die Kamera. Sie könnten ein Liebespaar sein, nicht Geschwister, sagte Maxie, und ich nickte.
Maxie und ich versuchten abwechselnd in einer Minute mehr Wörter mit dem Anfangsbuchstaben S zu finden und lagen schräg und falsch herum in Maxies Bett. Maxie nannte das schief liegen, und als wir es das erste Mal taten, hatte ich Skifliegen verstanden und mich gewundert, da kannte ich Maxie noch nicht gut. Doch genau deswegen wollte ich sie kennenlernen, weil sie nicht so langweilig wie die anderen Mädchen in meiner Klasse war.
Sie möge die Haltung der Geschwister, sie seien Antifaschisten durch und durch gewesen. Eigentlich kenne sie die beiden durch Annemarie Schwarzenbach, die unsterblich in Erika verliebt gewesen war, aber ihre Liebe sei nie erwidert worden. Maxie wünschte sich, sie würde auch einmal jemanden unsterblich lieben.
Von Thomas Mann habe sie nichts gelesen, obwohl ihr Vater ihr den Zauberberg mehr als einmal auf den Nachttisch gelegt hatte. Nach drei Seiten hatte sie es weggelegt und Mephisto weitergelesen.
Ich hatte nichts von Thomas Mann gelesen, geschweige denn von Erika oder Klaus, von denen ich vorher nie gehört hatte. Von Thomas natürlich, da kam man nicht drum herum, Tod in Venedig oder Mario und der Zauberer lasen andere in der Schule.
Ob sie es nicht traurig fände, wenn Liebe nicht erwidert wird. Dass ich dann lieber nie verliebt wäre als unerwidert. Maxie stützte sich auf ihre Unterarme, beugte sich über mich und rief viel zu laut und albern,
sie wolle alles fühlen, auch den Schmerz, und das Leben sei eines der schwersten, habe ihre Mutter immer gesagt, und die müsse es wissen, schließlich sei sie viel zu früh gestorben, und diesem Argument konnte
ich nichts entgegensetzen.