geb. in Ost-Berlin, ist Autor preisgekrönter Spielfilme (u.a. „Raus aus der Haut“, Regie: Andreas Dresen) und Regisseur von Dokumentarfilmen (u.a. „Kuba Sigrid“). Sein Debütroman „Boxhagener Platz“ wurde in mehrere Sprachen übersetzt und fürs Kino verfilmt. Die Hörspieladaption erhielt diverse Preise. Seitdem erschienen von ihm der Erzählungsband „Revolution und Filzläuse“ sowie die Romane „Nilowsky“, „Skandinavisches Viertel“ und „Öl und Bienen“. Seit 2002 Professur für Praktische Dramaturgie an der Filmuniversität Babelsberg. Writer in residence in Los Angeles (Villa Aurora), Belgrad (Literarisches Tandem) und Johannesburg (Goethe Institut).

Weitere Infos:
www.torstenschulz.org

Foto © Sophie Schulz

SYNOPSIS

ÖL UND BIENEN

erschienen bei Klett-Cotta:

Die Zeiten, in denen man in Beutenberge den Siegeszug des Erdöls ersehnte, sind längst vorbei. Stattdessen hoffen Lothar Ihm und seine Freunde höchstens noch auf die nächste geschmuggelte Platte aus dem Westen. Doch dann fällt ein Schwarm heiratswilliger Frauen in das havelländische Provinznest ein, und nichts bleibt mehr, wie es war. Ein herrlich skurriler DDR-Roman über die Beharrlichkeit von alten und neuen Mythen.

Textprobe

Agnes stand vor ihm, nach all den Jahren.
„Was willst du hier?“ Seine Stimme hörte sich brüchig an.
„Das müsstest du doch wissen.“
„Woher soll ich das wissen?“
„Weil du eine Heiratsannonce aufgegeben hast.“
„Weil ich was?“
Der Ihmsche starrte sie an. Sie setzte sich ihm gegenüber an den Küchentisch, zog ein Stück Zeitungspapier aus der Brusttasche ihrer Lederjacke und reichte es ihm.
Ungläubig schaute er auf das Papier, las und bewegte stumm seine Lippen: Junggebliebener Mittdreißiger, der seine liebe Mutter bis in den Tod gepflegt hat, möchte ein neues Leben beginnen und sucht deshalb eine liebe Frau, gleichaltrig, Kind kein Hindernis, zwecks Heirat. Lothar Ihm, Beutenberge bei Nauen, Talweg 4. Bitte nur ernstgemeinte Zuschriften.
„Was ist das?“, fragte er.
„Deine Heiratsannonce“, entgegnete Agnes und spürte eine gewisse Verunsicherung. Hatte sie es mit jemandem zu tun, der nicht mehr ganz bei Verstand war? Oder war er einfach nur von der Trauer um seine Mutter so sehr benommen, dass sein Erinnerungsvermögen empfindlich gestört war?