wurde 1972 in Radolfzell am Bodensee als Sohn jugoslawischer Gastarbeiter geboren. Er machte eine Lehre zum Speditionskaufmann, dann eine Ausbildung zum Regieassistenten am Teatro Nacional de Cuba. Er studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig.

Thomas Podhostnik verfasst Prosa und experimentelle Prosa, die in Einzeltiteln, Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht wurden. 2008 debütierte er mit dem Roman „Der gezeichnete Hund“. 2011 folgte der kubistische Roman „Die Hand erzählt vom Daumen“. Beide Romane handeln von dem Leben der Mitglieder einer Gastarbeiterfamilie, in der ersten bzw. zweiten Generation. 2015 erschien sein Roman „Der falsche Deutsche“, der von einem germanophilen Kubaner handelt. Im Jahr 2021 erschienen bei der Parasitenpresse, Köln außerdem der illustrierte Prosa Text „Unter Steinen“ und der Mikro-Roman „Frame“, beide mit Bezügen zu existenzialistischer Literatur. Thomas Podhostnik lebt in Leipzig. Zudem ist er Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.

www.podhostnik.de

Stipendien / Auszeichnungen

Stipendiat des Neunten Klagenfurter Literaturkurses, 2005
Kulturpreis 2005, Förderungspreis des Landes Kärnten in der Sparte „Literatur“, 2005
Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg, 2006
Stipendiat der Villa Decius in Krakau, Homines Urbani 2006
Stipendium des Ventspilshouse Lettland, 2008
Stipendium der Sächsischen Kulturstiftung, Šamorin 2010
Aufenthaltsstipendium Denkmalschmiede Höfgen, Kaditzsch 2010/2011
Stipendium der Sächsischen Kulturstiftung in Pécs, Ungarn 2014
Stipendium der Sächsischen Kulturstiftung in Agnetendorf, 2018
Stipendium des Ventspilshouse Lettland, 2018
Dialog 19, Werkstattstipendium des Goethe-Institut St. Petersburg und des Museums für Nonkonformistische Kunst, 2019

Thomas Podhostnik liest aus dem Roman Der gezeichnete Hund, erschienen im luftschacht Verlag.

Leseprobe

Ganz lieblich war ihr ums Herz gewesen, den ganzen Frühling schon. Da hat sie unter der Kastanie gesessen, jeden Tag und hat ihre Geige gespielt, und sie war eine ganz glückliche Grille gewesen, jeden Tag davon. Nicht mal auf den Baum war sie geklettert, niemals. War gar nicht nötig gewesen. Hat einfach nur dagesessen und auf den See geschaut. Und gespielt hat sie. Richtig schön. Jeder hat ihr zugehört. Und alle haben sich gefreut. Aber ein bisschen neidisch war sie doch gewesen, die Ameise, die gebuckelt hat, jede Stunde, jeden Tag, den ganzen Frühling. Hatte kein Dach aus einem Kastanienblatt. Musste sich alles selber bauen. Musste Erde schaufeln und Balken tragen, groß und schwer, und die Erde, nass und schmutzig. War nicht schön anzuschauen. Hat aber doch den Kopf dabei hoch getragen und hat die Grille nie angeschaut. War Sommer geworden. Heiße Tage. War aber der Ameise egal, hat sich nicht darum geschert, musste viele Kammern bauen. Wusste genau, was sie tat. Konnte nicht schwimmen, durfte nicht dösen, wusste nicht zu spielen, hat sie aber nicht interessiert. War immer im Recht. Konnte viele Kammern aufweisen und wusste genau, was sie tat und wusste, wie es stand. Herbst war dann auch schon da. Ganz melancholische Musik hat die Grille gespielt. Gefiel der Ameise, konnte so viel besser jagen und sammeln und die Kammern füllen für den Winter. Der kam auch. So richtig kalt. War nicht mehr zu spielen draußen, konnte nicht mal mehr etwas leben. Die Grille fiel ganz steif um und wäre tot. Aber die Ameise zog sie in ihr Loch. War warm und sicher und wohlig dort, wollte man nie wieder raus, roch beißend aus den Kammern, alle voll. War bald gut genährt, die Grille. Musste aber in einer Ecke schlafen, ganz klein, und sich schämen musste sie, mindestens zweimal am Tag, wegen der Ameise, und musste spielen, für die Ameise, die ganze Zeit und auch, wenn sie nicht wollte, ganz traurige Lieder, mit viel Schmerzen. War ein langer Winter, wurde immer länger. War bald nichts mehr da zu Essen. Aber Ameisen essen Grillen. Fraß erst ihre Beine, konnte so noch immer spielen. Dann den Unterleib, tat scheußlich weh. Musste spielen, um zu vergessen, bis sie tot und ganz gefressen war. ….

Foto © Kira Chernova

Bibliographie

„Ein französisches Mädchen in Amerika“, Erzählung, Der Hörverlag, München, 2004
„Verstecken“, Erzählung, Edit – Papier für neue Texte, Nr. 38, Leipzig, 2005
„Pod kamieniami“ Erzählung, Ha!art – Literaturzeitschrift, Krakau, 2006
„Der gezeichnete Hund“ Roman, Luftschacht – Literaturverlag, Wien, 2008
„Meduza“, Erzählung, Edit – Papier für neue Texte, Nr. 45, Leipzig, 2008
“Ein Pfau in Havanna”, Erzählung, erschienen in „Ludzie, miasta. Literatura Białorusi, Niemiec, Polski i Ukrainy / Anthologie: Literatur aus Weißrussland, Deutschland, Polen und der Ukraine”, Krakau, 2008
„Einaugen“ Erzählung, Edit – Papier für neue Texte, Nr. 50 Jubiläumsausgabe, Leipzig, 2009
„Die Hand erzählt vom Daumen“ Roman, Luftschacht – Literaturverlag, Wien, 2011
„Mittwacht“, illustrierte Erzählung, Verlagshaus Berlin, Berlin, 2014
„Der falsche Deutsche“, Roman, Luftschacht Literaturverlag, Wien, 2015
„Ein anderer Däne“, Erzählungen, Literatur Quickie Verlag, Hamburg, 2018
„Kurent“, Erzählung, Der Maulkorb Nr. 23, Literaturzeitschrift, Dresden, 2018
„Unter Steinen“, illustrierte Prosa, Doppelausgabe deutsch/russisch, Parasitenpresse, Köln, 2019
„Du bist der Mann“ , Erzählung, Ostra-Gehege Nr. 99, Dresden, 2021
„Frame“; Mikro-Roman, Parasitenpresse, Köln, 2021